"Mehr als Migräne – moderne Schmerztherapie zwischen Individualität & Interdisziplinarität" Teil 2 mit Dr. med.T. Reiter
Shownotes
🎧 Teil 2 mit Dr. med. Thomas Reiter, Feldafing https://www.klinik-feldafing.de/ueber-uns/unsere-aerzte/dr-thomas-reiter 🧠 Migräne verstehen – individuell, interdisziplinär und empathisch 💊 Fokus: Patientengeschichten, Erenumab/Aimovig®, Patentschutz 🎙️ Moderation: Mr. F (Florian Beigelbeck)
🎵 Musik: „Love Me“ von Tunebel Music Label – mit freundlicher Genehmigung. Mehr unter: www.tunebel.com
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00:00:03: Speaker2: Hallo und herzlich Willkommen zu einer neuen Folge von Zwischen Visite und Vision.
00:00:09: Speaker2: Medizin im Gespräch mit Dr. T und Mr. F.
00:00:18: Speaker1: Heute geht es in die zweite Runde mit einem Thema, das nicht nur den Kopf betrifft,
00:00:22: Speaker1: sondern oft das ganze Leben auf den Kopf stellt.
00:00:25: Speaker1: Migräne. Im ersten Teil ging es um die Hintergründe, Ursachen und Therapiewege.
00:00:30: Speaker1: Jetzt wird es noch persönlicher, noch konkreter. Wir sprechen über Patientenverläufe,
00:00:36: Speaker1: echte Erfahrungen und über die Frage, wie sieht eine Schmerztherapie aus,
00:00:42: Speaker1: die nicht nur behandelt, sondern wirklich begleitet.
00:00:45: Speaker1: Unser Gast bleibt der gleiche. Und das ist auch gut so.
00:00:48: Speaker1: Dr. Med. Thomas Reiter, zertifizierter Kopfschmerzexperte der DMKG und Oberarzt
00:00:55: Speaker1: für Schmerzmedizin an der Atemiklinik im Felderfing.
00:00:58: Speaker1: Eine Klinik, die nicht nur am Stamberger See liegt, sondern auf höchstem Niveau behandelt.
00:01:03: Speaker1: Als eine von nur drei Einrichtungen in Deutschland mit dem Level 2 Zertifikat
00:01:08: Speaker1: der Migränegesellschaft.
00:01:09: Speaker1: Wir freuen uns auf Teil 2 und auf alles das, was zwischen Diagnose und Dialog
00:01:14: Speaker1: wirklich zählt. Los geht's!
00:01:19: Speaker1: Hallo und herzlich willkommen zurück zum Teil 2 mit unserem Thema Migräne.
00:01:26: Speaker1: Ich freue mich jetzt auch wieder Herrn Dr.
00:01:29: Speaker1: Thomas Reiter aus dem Benediktuskrankenhaus Felderfing bei uns begrüßen zu dürfen.
00:01:35: Speaker1: Er hat uns ja schon in der ersten Folge sehr viel über die Symptome,
00:01:40: Speaker1: die Art von Migräne beschrieben, über das Tagebuch, welche Möglichkeiten gibt es da.
00:01:48: Speaker1: Und jetzt starten wir einfach in den Teil 2 rein unserer Folge.
00:01:53: Speaker1: Herr Dr. Reiter, MRT, mikroangiopathische Veränderungen.
00:02:00: Speaker1: Da haben wir eine ganz interessante Zuhörerfrage bekommen. Warum zeigen sich
00:02:05: Speaker1: bei manchen Migräne-Patientinnen oder Patienten Mikroangliopathien im MRT bei anderen nicht?
00:02:15: Speaker1: Ist das ein Schweregradmerkmal oder gibt es da was, worauf man genau achten
00:02:23: Speaker1: soll und welche Bedeutung messen Sie diesen MRT-Befund in der Klinik bei?
00:02:29: Speaker0: Also tatsächlich ist es so, dass wir die Diagnose der Migräne anhand von klinischen Kriterien stellen.
00:02:37: Speaker0: Heißt, es gibt kein beweisendes oder ausschließendes, bildgebendes oder sonstiges
00:02:43: Speaker0: diagnostisches Verfahren, noch nicht.
00:02:48: Speaker0: Mikroangiopathische Veränderungen heißen ja erstmal, dass etwas an der Gefäßstruktur verändert ist.
00:02:55: Speaker0: Man geht davon aus, dass ein Teil der Migräneentstehung aufgrund von einer Neuroinflammation,
00:03:02: Speaker0: also einer chronischen Entzündungsreaktion, entsteht und dadurch einfach das
00:03:09: Speaker0: Beschwerdebild auch bedingt ist.
00:03:12: Speaker0: Und das kann ein indirektes Zeichen dafür sein.
00:03:17: Speaker0: Da müsste man jetzt ehrlicherweise auch nochmal einen Migräneforscher befragen,
00:03:23: Speaker0: der diese Arbeit gemacht hat,
00:03:26: Speaker0: aber Stand jetzt ist tatsächlich, dass diese Veränderungen,
00:03:34: Speaker0: Keine Relevanz haben, zumindest mir jetzt nicht bekannt auf therapeutischer Ebene.
00:03:41: Speaker0: Das heißt, da kann ich jetzt primär nichts anderes machen.
00:03:45: Speaker0: Es kann gut sein, dass sich jetzt da einige Neurologen melden werden und sagen,
00:03:49: Speaker0: nein, du siehst das falsch.
00:03:50: Speaker0: Und da freue ich mich dann auch drüber, weil letztlich unser Job nie ausgelernt hat.
00:04:02: Speaker0: Also man lernt jeden Tag was Neues dazu.
00:04:07: Speaker0: Aber auf therapeutischer Ebene ist mir jetzt keine Konsequenz bekannt,
00:04:12: Speaker0: die daraus resultieren würde.
00:04:15: Speaker0: Also ich möchte es jetzt auch nicht ganz kleinreden und sagen,
00:04:19: Speaker0: da gibt es überhaupt nichts, das kann sich jetzt auch einfach noch entwickeln,
00:04:24: Speaker0: aber zum jetzigen Zeitpunkt muss ich sagen, hat es so gesehen keine Relevanz.
00:04:32: Speaker1: Es ist auf jeden Fall schon mal gut, dass Sie ganz klar sagen können,
00:04:36: Speaker1: es hat für die Therapie des Patienten, ob diese genannten Whitemap zu sehen
00:04:43: Speaker1: sind, keine Auswirkung dafür. Herr Dr.
00:04:46: Speaker1: Reiter, jetzt gehen wir mal in das spannende Feld rein, in dieses große Becken,
00:04:52: Speaker1: wie sich alle wahrscheinlich vorstellen könnten.
00:04:56: Speaker1: Wir gehen in die medikamentöse Therapie und vor allem auch in die Innovationen.
00:05:02: Speaker1: Wir haben ja in der Folge 1 schon gehört, dass sich viel bewegt und viel verändert
00:05:08: Speaker1: in dem Bereich, dass viel geforscht wird auch und einige Dinge sind,
00:05:13: Speaker1: man möchte es manchmal gar nicht glauben, in Europa sogar schon zugelassen.
00:05:18: Speaker1: Da müssen wir jetzt beide so ein bisschen schmunzeln, weil als erstes wird immer
00:05:22: Speaker1: alles in Amerika zugelassen über die FDA, dann geht es erst nach Europa.
00:05:27: Speaker1: Es gibt Bereiche, da ist es genau andersrum, aber in dem Medikamentenbereich ist es häufig so.
00:05:34: Speaker1: Herr Dr. Reiter, jetzt verraten Sie uns mal, wie wählen Sie denn die passende Therapie aus?
00:05:41: Speaker0: Schlicht und ergreifend nach Wirksamkeit. Und das klingt jetzt auch ein bisschen,
00:05:49: Speaker0: einfach zu sagen, es ist Trial and Error, also Versuch und Irrtum.
00:05:53: Speaker0: Und das muss individuell beim Patienten erprobt werden.
00:05:57: Speaker0: Wir haben das Glück, dass wir ja eine Leitlinie zur Behandlung von Migräne haben,
00:06:02: Speaker0: wo sich die führenden Kopfschmerz-Experten in Deutschland auch zusammengetan
00:06:07: Speaker0: haben und eben auch die großen Zahlen an Studien ausgewertet haben und dabei
00:06:13: Speaker0: ist eben rausgekommen, wie behandle ich Migräne richtig.
00:06:17: Speaker0: Und man muss in der Behandlung der Migräne immer unterscheiden zwischen Akuttherapie,
00:06:22: Speaker0: also die Behandlung des Anfalls selber und dann in zweiter Ebene die Prophylaxe.
00:06:30: Speaker0: Die Akuttherapie braucht per se jeder Patient.
00:06:33: Speaker0: Es gibt Patienten, die sagen, will nichts nehmen und möchte nichts nehmen,
00:06:37: Speaker0: dann ist das soweit okay.
00:06:39: Speaker0: Aber wenn jemand sagt, er hält diesen Anfall so nicht aus, dann sollte man dort
00:06:45: Speaker0: eben in der Leitlinie nachsehen.
00:06:46: Speaker0: Und die Erstlinientherapie ist ein klassisches Schmerzmittel,
00:06:50: Speaker0: also sei es jetzt ASS, Acetylsalicylsäure, sei es Ibuprofen oder das ältere
00:06:57: Speaker0: Naproxen, was ein bisschen länger wirksam ist.
00:07:01: Speaker0: Man kann aber auch auf Substanzen ausweichen wie Metamizol oder Paracetamol,
00:07:06: Speaker0: also die handelsüblichen Schmerzmittel. Wenn die nicht wirksam sind,
00:07:11: Speaker0: dann kann das zwei Gründe haben.
00:07:13: Speaker0: Das eine ist entweder, dass es der falsche Mechanismus ist, den man angeht,
00:07:19: Speaker0: weil man kennt mittlerweile viele verschiedene Mechanismen und auch viele verschiedene
00:07:23: Speaker0: Ebenen, auf denen eine Migräne ablaufen kann.
00:07:28: Speaker0: Nicht jeder Patient spricht darauf an und dann gibt es eben die spezifische
00:07:32: Speaker0: Migränetherapie und das wären dann letztlich die Tryptane.
00:07:38: Speaker0: Was bei der Migräne häufig noch mit dabei ist, ist eben das Symptom der Übelkeit.
00:07:43: Speaker0: Und die Übelkeit weist auch darauf hin, dass die Migräne wohl doch nicht nur
00:07:46: Speaker0: im Kopf stattfindet, sondern eben auch im Bauch.
00:07:50: Speaker0: Und man weiß, dass Migräne teilweise auch mit einer sogenannten Magenentleerungsstörung
00:07:57: Speaker0: verbunden ist, was dann wiederum erklärt, dass Migräne nicht gut wirken können.
00:08:02: Speaker0: Nicht Migräne, Medikamente nicht gut wirken können.
00:08:07: Speaker0: Und deswegen wird auch empfohlen, bei Unwirksamkeit von Medikamenten auch immer
00:08:12: Speaker0: sogenanntes Progenetikum dazu zu geben, also ein Medikament,
00:08:16: Speaker0: was die Magenentleerung fördert und gegen Übelkeit wirkt.
00:08:19: Speaker0: Das ist das klassische Metoclopramid oder Domperidon.
00:08:23: Speaker0: Auch diese Medikamente haben letztlich jetzt auch Gegenanzeigen,
00:08:28: Speaker0: wo man sie nicht nehmen darf.
00:08:29: Speaker0: Aber in der Regel ist das gut verträglich und wirksam und kann tatsächlich die
00:08:34: Speaker0: Wirksamkeit der migränisch-spezifischen Medikamente auch verbessern.
00:08:39: Speaker0: Tryptane gibt es seit 30 Jahren, Gott sei Dank.
00:08:43: Speaker0: Und das war einer der größten Würfel der Migränetherapie, weil das zum ersten
00:08:48: Speaker0: Mal eben ein spezifischer Wirkstoff war, der die Migräneattacke unterbinden konnte.
00:08:55: Speaker0: Da haben wir jetzt den Punkt, die kann man entweder schlucken in Tablettenform,
00:08:59: Speaker0: es gibt mittlerweile aber auch Nasensprays, die man nehmen kann,
00:09:02: Speaker0: die bei Übelkeit natürlich besser aufgenommen werden können,
00:09:06: Speaker0: weil es über die Nasenschleimhaut zum größten Teil aufgenommen wird.
00:09:09: Speaker0: Und es gibt tatsächlich auch einen Wirkstoff, den man subkutan injizieren kann.
00:09:14: Speaker0: Und je nach Schweregrad sollte man die nutzen. Es gibt insgesamt sieben verschiedene
00:09:19: Speaker0: Tryptane im Moment in Deutschland, die lieferbar sind fünf.
00:09:23: Speaker0: Und die sollte man als Migräne-Patient auch allesamt mal ausprobieren,
00:09:27: Speaker0: unterscheiden sich in der Schnelligkeit des Wirkeintritts.
00:09:31: Speaker0: Meistens ist es aber so, was schnell einsetzt, ist schnell auch wieder weg.
00:09:35: Speaker0: Das heißt, es gibt Patienten, die auch lieber einen langsameren Wirkeintritt,
00:09:39: Speaker0: aber eine längere Wirkdauer nutzen.
00:09:41: Speaker0: Man kann die prinzipiell auch je nach Situation, wenn es zu einem Wiederkehr-Kopfschmerz
00:09:45: Speaker0: kommt, auch nochmal wiederholen.
00:09:47: Speaker0: Aber das sind eben individuelle Fragen, die man mit dem Patienten dann auch
00:09:50: Speaker0: im Gespräch klären muss.
00:09:53: Speaker0: Und neu dazugekommen oder neu dazukommen werden jetzt eben noch Medikamente,
00:09:58: Speaker0: die wir auch aus der Prophylaxe kennen.
00:10:01: Speaker0: Es gibt die sogenannten Gepante. Das sind Medikamente, die einen Wirkmechanismus
00:10:09: Speaker0: haben, wie diese CGRP-Antikörper.
00:10:12: Speaker0: Die gibt es mittlerweile auch zum Schlucken. Und jetzt im Juni ist tatsächlich
00:10:15: Speaker0: eine Substanz zugelassen worden, die auch in der Akuttherapie wirksam ist.
00:10:21: Speaker0: Das ist das Upro-Gepant, ist aber im Moment noch nicht lieferbar.
00:10:28: Speaker0: Die anderen Gepante haben relativ lang gedauert, bis sie jetzt lieferbar geworden
00:10:34: Speaker0: sind. Da sage ich später eben noch was dazu im Bereich der Prophylaxe.
00:10:41: Speaker0: Es gibt noch einen weiteren Wirkstoff, das ist das Lasmeditan.
00:10:44: Speaker0: Das ist ein spezifischer Serotonin-Antagonist, der ausschließlich im Kopf wirksam ist.
00:10:54: Speaker0: Das Tolle ist, dass an diesem Wirkstoff, dass er im Gegensatz zu den klassischen
00:10:59: Speaker0: Tryptanen im Körper keine gefäßverengende Wirkung hat.
00:11:03: Speaker0: Das heißt, eben auch bei Patienten angewendet werden kann, die generell keine
00:11:08: Speaker0: gefäßverengende Substanz zu sich nehmen sollten.
00:11:11: Speaker0: Der Nachteil ist, neue Medikamente müssen mittlerweile auch auf Straßenverkehrstauglichkeit
00:11:15: Speaker0: getestet werden und das LAS-Meditan hat eben die Nebenwirkung,
00:11:20: Speaker0: dass es die Reaktionsfähigkeit beeinträchtigt,
00:11:23: Speaker0: sodass man nach Einnahme des Medikaments offiziell und verbrieft für acht Stunden
00:11:28: Speaker0: nicht verkehrstauglich ist und nicht Auto fahren darf.
00:11:31: Speaker0: Wer schon mal eine Migräne hatte, der weiß, dass es viel bessere Orte gibt als
00:11:36: Speaker0: hinter dem Steuer eines Kraftfahrzeugs.
00:11:38: Speaker0: Die werden nicht freiwillig Autofahren.
00:11:42: Speaker0: Aber dort muss ich als Arzt eben den Patienten darüber aufklären und auch eine
00:11:46: Speaker0: Unterschrift einfordern, dass der Patient acht Stunden nach Einnahme dieses
00:11:49: Speaker0: Medikaments nicht Autofahren darf. Genau.
00:11:52: Speaker0: Also das wäre die Akuttherapie im Moment.
00:11:57: Speaker1: Jetzt haben Sie ja schon so ein bisschen draufgegangen,
00:12:02: Speaker1: angedeutet oder schon so ein bisschen reingegangen in das Thema Prophylaxe.
00:12:07: Speaker1: Jetzt gibt es ja die CGRP-Antikörper.
00:12:10: Speaker1: Für wen eignen sich denn die und wann sprechen sie an?
00:12:15: Speaker0: Das ist eine total spannende Entwicklung und tatsächlich hat das die Migränetherapie
00:12:20: Speaker0: aus meiner Sicht nochmal wirklich revolutioniert,
00:12:22: Speaker0: weil diese Substanzen sehr, sehr gut verträglich sind, Also kaum Nebenwirkungen
00:12:27: Speaker0: machen und wirklich auch das tun, was sie sollen.
00:12:32: Speaker0: Eine Prophylaxe braucht grundsätzlich ein Patient und da unterscheiden sich jetzt die Angaben.
00:12:38: Speaker0: In der Leitlinie steht im Prinzip ab drei Tagen, ab drei Migräne.
00:12:44: Speaker0: Tagen im Monat kann über eine Prophylaxe nachgedacht werden.
00:12:49: Speaker0: Nachdem diese Antikörper eine teure Therapie sind, haben da die Krankenkassen
00:12:54: Speaker0: jetzt auch erstmal einen Riegel vorgeschoben,
00:12:57: Speaker0: was ein Stück weit auch okay ist, weil es auch Prophylaxe-Medikamente gibt,
00:13:02: Speaker0: die schon seit Jahrzehnten bekannt sind und kostengünstiger.
00:13:07: Speaker0: Da zählen zum Beispiel Antidepressiva dazu wie Amitriptylin.
00:13:12: Speaker0: Man kann auch Beta-Blocker geben.
00:13:14: Speaker0: Man kann Medikamente geben, die ursprünglich gegen Schwindel entwickelt wurden.
00:13:20: Speaker0: Flunarizin, das ist im Moment leider nicht lieferbar bis Ende des Jahres vermutlich.
00:13:26: Speaker0: Dann kann man aber auch mit Antiepileptika arbeiten und hat dort eben das Topiramat als eine Substanz.
00:13:38: Speaker0: Wobei das schon auch Medikamente sind, die auch ein Nebenwirkungsspektrum haben
00:13:43: Speaker0: und auch in der Einnahmewilligkeit der Patienten auch nicht unbedingt immer oben rangieren.
00:13:50: Speaker0: Kann Gewichtszunahmen geben, kann Kreislaufschwäche und so weiter geben.
00:13:56: Speaker0: Das ist eine individuelle Frage, die man dann klären muss.
00:13:59: Speaker0: Bei den Antikörpern haben wir einfach den großen Vorteil, die wirken so spezifisch
00:14:03: Speaker0: an eben diesen Rezeptor oder gegen den Wirkstoff des CGRP selber.
00:14:10: Speaker0: CGRP ist Calcitonin G-Related Peptide übersetzt.
00:14:14: Speaker0: Und das ist eine Substanz, die den Migräneanfall auslöst.
00:14:20: Speaker0: Also das konnte nachgewiesen werden und es gibt eben auch Studien,
00:14:23: Speaker0: wo man gezeigt hat, wenn ich CGRP infundiere, dann kann ich bei Migräne-Patienten
00:14:27: Speaker0: Migräneanfälle auslösen. Und wenn ich die Substanz aus dem Blut rausfische,
00:14:32: Speaker0: dann gibt es deutlich weniger Migräne.
00:14:35: Speaker0: Das zeigt sich indirekt dadurch, wenn man jetzt die Prophylaxen vergleicht,
00:14:40: Speaker0: wenn ich eine klassische medikamentöse Prophylaxe nehme, bleiben vielleicht
00:14:43: Speaker0: 5 oder 10 Prozent der Patienten bei diesem Medikament.
00:14:46: Speaker0: Bei den Antikörpern sind es über 50.
00:14:49: Speaker0: Das heißt, es ist der indirekte Wirksamkeitsnachweis und auch die Bestätigung
00:14:53: Speaker0: dessen, dass es hochverträglich ist. Der Preis ist nicht unerheblich.
00:14:58: Speaker0: Also wir reden da über Therapiekosten von 200 bis 700 Euro im Monat.
00:15:06: Speaker0: Das ist nicht unerheblich.
00:15:09: Speaker0: Es ist aber eben auch so, dass die Migräne eine Erkrankung ist,
00:15:13: Speaker0: die extrem hohe Kosten verursacht durch Arbeitsunfähigkeit.
00:15:17: Speaker0: Und wenn man das volkswirtschaftlich hochrechnet, reden wir hier von Summen,
00:15:21: Speaker0: da wird es einem schwindelig bis zu drei Milliarden Euro Kosten durch Arbeitsunfähigkeit bei Migräne.
00:15:27: Speaker0: Und das dann gegenzurechnen ist ganz einfach, abgesehen von der Tatsache,
00:15:30: Speaker0: dass es dem Patienten halt auch sehr gut tut und deutlich besser geht.
00:15:34: Speaker0: Und diese neue Entwicklung, die nutzen wir hier in der Klinik auch sehr gerne.
00:15:37: Speaker0: Wir müssen uns natürlich immer auch an die Richtlinien halten.
00:15:41: Speaker0: Das würde jetzt zu weit führen, das in der einzelnen Substanz aufzuzählen.
00:15:48: Speaker0: Es war ursprünglich so, dass alle fünf oral verfügbaren Medikamente erprobt
00:15:53: Speaker0: worden sein mussten und als negativ bewertet werden mussten.
00:15:58: Speaker0: Mittlerweile gibt es eben durch neuere Studien auch Shortcuts,
00:16:02: Speaker0: aber das ist für jede Substanz unterschiedlich.
00:16:06: Speaker0: Wir können aber mittlerweile relativ frühzeitig auch schon mit den Antikörpern anfangen.
00:16:11: Speaker0: Der Vorteil ist aber auch, dass die Substanzen schon deutlich günstiger geworden
00:16:15: Speaker0: sind und von daher neue Optionen bieten.
00:16:21: Speaker0: Aber der Kampf mit den Krankenkassen ist immer noch nicht endgültig entschieden
00:16:27: Speaker0: und es kann individuell schon auch Probleme geben.
00:16:31: Speaker0: Es gibt für Leute, die nicht so gerne spritzen wollen, mittlerweile auch Tabletten
00:16:36: Speaker0: zur Verfügung, die man dort einsetzen kann, die einen gleichen Wirkmechanismus
00:16:41: Speaker0: haben und das ist einfach auch eine tolle Alternative.
00:16:44: Speaker0: Nachteil ist, ich muss jeden Tag eine Tablette schlucken.
00:16:49: Speaker0: Aber für jemanden, der dadurch eine deutliche Reduktion an Migräne erfährt.
00:16:56: Speaker0: Ist das ein großer Vorteil.
00:16:59: Speaker0: Ehrlicherweise ist es aber auch so, Menschen, die weniger als,
00:17:03: Speaker0: ich sage jetzt mal, acht Migräne-Tage im Monat haben.
00:17:08: Speaker0: Dort ist es von der Kostenseite her so, dass die Krankenkassen sagen,
00:17:16: Speaker0: die sollen das noch nicht kriegen.
00:17:18: Speaker0: Es ist tatsächlich aber auch so, dass es noch andere Möglichkeiten gibt,
00:17:22: Speaker0: wirksam gegen Migräne vorzugehen.
00:17:24: Speaker0: Man muss nicht immer in die Apotheke rennen und die Pharmaindustrie bemühen,
00:17:28: Speaker0: sondern dass es eben auch gute
00:17:30: Speaker0: nicht-medikamentöse Maßnahmen gegen Migräne gibt, die man nutzen sollte.
00:17:34: Speaker0: Es gibt mittlerweile auch Neuromodulationstechniken, also eine transdermale
00:17:41: Speaker0: Stimulation des Nervus Trigeminus, ist mittlerweile auch in der Leitlinie drin.
00:17:45: Speaker0: Und das ist eine Elektrode, die klebt man sich auf die Stirn und versieht die
00:17:48: Speaker0: mit einem Gerät und stimuliert das mit so einem kleinen Reizstrom.
00:17:52: Speaker0: Das ist auch ganz spannend, weil das einfach etwas ist, was ich sowohl im Akutfall
00:17:56: Speaker0: als auch zur Prophylaxe nutzen kann und da gibt es eben gute Studiendaten, das zu nutzen.
00:18:01: Speaker0: Es gibt auch weitere Entwicklungen in dem Bereich über eine Stimulation am Oberarm
00:18:08: Speaker0: und da ist noch einiges in der Pipeline,
00:18:11: Speaker0: weil man einfach sieht, es ist doch ein großer Bedarf da an Therapien und es
00:18:17: Speaker0: sind auch viele Patienten da,
00:18:18: Speaker0: sodass sich das auch für die Industrie letztlich lohnt, da weiter zu forschen
00:18:22: Speaker0: und zu suchen und das kommt natürlich dann den Patienten auch zugute.
00:18:29: Speaker1: Jetzt haben Sie das wirklich sehr ausführlich beschrieben und wirklich gut.
00:18:33: Speaker1: Nochmal ganz kurz zusammengefasst für, das ist glaube ich der wichtigste Punkt
00:18:37: Speaker1: im ersten Moment für unsere Zuhörer.
00:18:40: Speaker1: Und am Ende für Ihre Patienten, diese CGRP-Antikörper, wo Sie gesagt haben,
00:18:49: Speaker1: die müssen bei der Versicherung beantragt werden.
00:18:52: Speaker1: Die werden dann aber, wenn sie genehmigt werden, werden sie von der normalen
00:18:56: Speaker1: gesetzlichen Versicherung übernommen. oder ist das dann eine Selbstzahlerleistung?
00:19:01: Speaker0: Die werden übernommen. Der Ball liegt aber dummerweise immer bei uns Ärzten.
00:19:06: Speaker0: Das heißt, wenn ich das rezeptiere, muss ich die Anfrage der Krankenkasse dann
00:19:11: Speaker0: entsprechend beantworten können.
00:19:13: Speaker0: Gesetzliche Krankenkassen, da muss ich es nicht vorab beantragen,
00:19:17: Speaker0: sondern wenn es in der Leitlinie drinsteht und entsprechend auch zugelassen
00:19:21: Speaker0: ist, dann kann jeder Patient auch damit behandelt werden.
00:19:25: Speaker0: Also das ist nicht das Problem. Die Schwierigkeit ist halt einfach die Weiterverordnung
00:19:30: Speaker0: durch die Niedergelassenen.
00:19:31: Speaker0: Mir als Klinikarzt ist es primär jetzt auch mal wurscht, weil ich bezahle es
00:19:36: Speaker0: aus dem Geld, was mir die Krankenkasse zur Verfügung stellt und das ist dann
00:19:41: Speaker0: ein betriebswirtschaftliches Thema,
00:19:43: Speaker0: wie viel von dem ich mir kaufen oder leisten kann und ausgeben darf.
00:19:48: Speaker0: Aber die Weiterverordnung ist halt einfach das Wichtige. Und das ist das,
00:19:53: Speaker0: was wir sicherstellen müssen.
00:19:54: Speaker0: Das heißt, wir fragen natürlich ab, erfüllen Sie die Kriterien für diese Substanz?
00:19:58: Speaker0: Und das ist dann auch nicht böse gemeint bei manchen Patienten,
00:20:01: Speaker0: wenn wir sagen, okay, wir müssen erst mal einen anderen Weg gehen.
00:20:03: Speaker0: Der Weg ist ja auch immer das Ziel. Und das heißt ja nicht, dass nur das Modernste gut ist.
00:20:09: Speaker0: Es gibt Patienten, die mit den klassischen Prophylaxen extrem gut zurechtkommen
00:20:13: Speaker0: und sehr, sehr zufrieden sind. und man muss nicht immer gleich in die Hunderten von Euro gehen.
00:20:21: Speaker1: Genau.
00:20:25: Speaker1: Mr. F. klärt auf. Wenn ein neues Medikament wie E-Ren-Nab bekannt unter dem
00:20:31: Speaker1: Handelsnamen I-Movic auf den Markt kommt, ist es in der Regel patentrechtlich geschützt.
00:20:37: Speaker1: Dieser Schutz sorgt dafür, dass zunächst nur das entwickelte Unternehmen,
00:20:42: Speaker1: in diesem Fall Amin, also Novartis, das Präparat exklusiv vertreiben darf.
00:20:50: Speaker1: Wie lange gilt so ein Schutz? Im Regelfall beträgt der Schutz,
00:20:54: Speaker1: also dieser Patentschutz 20 Jahre, beginnt mit der Anmeldung in der frühen Forschungsphase.
00:21:00: Speaker1: Da die Entwicklung und Zulassung eines Arzneimittels aber oft 8 bis 12 Jahre
00:21:05: Speaker1: dauert, bleiben am Ende meistens nur noch 8 bis 10 Jahre echter Markenschutz,
00:21:10: Speaker1: in denen sich Forschungskosten amortisieren müssen.
00:21:14: Speaker1: Was bedeutet das konkret für Ehren- und Abwärmung?
00:21:18: Speaker1: Aeronab ist ein CGRP-Antikörper, der speziell zur Migräne-Prophylaxe entwickelt wurde.
00:21:25: Speaker1: Das Wirkstoffpatent wurde ca. 2012 eingereicht, die EMA-Zulassung erfolgte 2018.
00:21:32: Speaker1: Der Schutz läuft also voraussichtlich bis 2032 mit möglicher Verlängerung durch SPC-Zertifikate,
00:21:40: Speaker1: Supplementary Protection Certificate, die weiteren 5 Jahre Exklusivität gewähren können.
00:21:48: Speaker1: Strategien zur Schutzverlängerung. Pharmaunternehmen haben mehrere Möglichkeiten,
00:21:52: Speaker1: den Patientschutz auszudehnen,
00:21:55: Speaker1: zum Beispiel durch neue Anwendungsgebiete, zum Beispiel Clusterkopfschmerz,
00:22:00: Speaker1: durch neue Darreichungsformen oder Dosierung,
00:22:03: Speaker1: durch Verfahrenspatente rund um die Herstellung oder Verabreichung.
00:22:07: Speaker1: Und was passiert eigentlich danach?
00:22:10: Speaker1: Nach Ablauf des Schutzes können andere Hersteller sogenannte Biosimilars entwickeln,
00:22:16: Speaker1: also Nachahmerpräparate.
00:22:17: Speaker1: Da Eronab ein biotechnologisches komplexer Antikörper ist, ist die Entwicklung
00:22:23: Speaker1: von Biosimilars zwar aufwendiger als bei klassischen Tabletten,
00:22:27: Speaker1: aber grundsätzlich möglich.
00:22:29: Speaker1: So und jetzt weiterhin viel Spaß mit unserer Folge.
00:22:35: Speaker1: Jetzt gibt es ja noch ein Medikament, das kennen viele eher aus der Schönheitschirurgie,
00:22:43: Speaker1: aus den neuesten Arten von Studios, die es mittlerweile gefühlt massenhaft gibt.
00:22:53: Speaker1: Herr Dr. Reiter, welche Rolle spielt denn Botox zum Beispiel nach Pre-MPT-Kriterien?
00:23:00: Speaker0: Also es gibt ein Injektionsschema bei Migräne,
00:23:06: Speaker0: das eine Wirksamkeit hat und bei Patienten, die die Kriterien für eine chronische
00:23:14: Speaker0: Migräne erfüllen, das heißt mindestens 15 Kopfschmerztage im Monat, davon 8 Migränetage,
00:23:20: Speaker0: dann zur Anwendung kommen kann, ist das.
00:23:24: Speaker0: Effektiv, sonst wäre es nicht zugelassen zur Behandlung.
00:23:28: Speaker0: Man bekommt an insgesamt 31 Stellen im Gesicht und im Kopfbereich dieses Nervengift,
00:23:35: Speaker0: das Botulinumtoxin injiziert und darüber ergibt sich dann eine Reduktion an
00:23:41: Speaker0: Migräne-Tagen und an Migräne-Häufigkeit.
00:23:46: Speaker0: Tatsächlich funktioniert das. Wir machen das auch bei uns in der Klinik.
00:23:51: Speaker0: Aber das wirkt auch nur für drei Monate und muss dann wiederholt werden.
00:23:56: Speaker0: Es gibt Patienten, die da absolut drauf schwören und das wirklich über Jahre hinweg nutzen.
00:24:05: Speaker0: Und deswegen kann man des guten Gewissens auch anwenden.
00:24:10: Speaker0: Aber durch die Invasivität des Verfahrens sind halt die Hürden auch hochgesetzt
00:24:15: Speaker0: und auch der Preis ist nicht ganz ohne.
00:24:17: Speaker0: Wir reden davon knapp 1200 Euro für eine Behandlung.
00:24:21: Speaker0: Am Ende, wenn es den Patienten nutzt, sollte es dem Arzt grundsätzlich egal sein, was etwas kostet.
00:24:30: Speaker0: Und wir sind aber halt schon auch ein Stück weit drauf, trainiert den Gedanken,
00:24:37: Speaker0: dass wir als Solidargemeinschaft leben.
00:24:41: Speaker0: Diese Kosten auch refinanzieren müssen, den sollten wir im Auge behalten.
00:24:47: Speaker0: Aber am Ende des Tages, wenn der Patient etwas braucht, dann soll er es haben.
00:24:52: Speaker0: Und es ist zugelassen, es ist wirksam, der Wirksamkeitsnachweis besteht.
00:24:59: Speaker0: Natürlich gibt es auch Situationen bei Patienten, wo auch nur Kombinationen
00:25:03: Speaker0: aus diesen einzelnen Therapien wirksam sind. Und es gibt Studien,
00:25:06: Speaker0: die zeigen, dass die Kombination aus CGRP-Antikörper plus Botox noch effektiver sein soll.
00:25:12: Speaker0: Aber da reden wir ja schon über die Top-Profis in Anführungszeichen als Patienten.
00:25:19: Speaker0: Das heißt, es sind schwerst betroffene Menschen, die nahezu eigentlich an jedem
00:25:24: Speaker0: Tag im Monat Kopfschmerzen haben und davon viele Migränetage mit dabei sind.
00:25:30: Speaker0: Und die kriegt man auch aus der Nummer nur durch, ich sage mal,
00:25:35: Speaker0: drastischere Maßnahmen raus.
00:25:37: Speaker0: Wenn ich jetzt alle zwei, drei Monate mal eine Migräne habe,
00:25:42: Speaker0: da brauche ich mich nicht über eine Prophylaxe unterhalten, weil ich merke den Unterschied nicht.
00:25:47: Speaker0: Und da muss ich einfach die Akuttherapie optimieren, einfach schauen,
00:25:54: Speaker0: dass man aus dem Anfall dann zeitnah rauskommt und dann ist das akzeptabel.
00:26:02: Speaker0: Solche drastischen Dinge brauchen einfach schwerst betroffene Patienten.
00:26:05: Speaker0: Was ich noch nicht erwähnt habe, was auch noch ein wichtiger Punkt ist,
00:26:10: Speaker0: die Akutmedikamente gegen Migräne können bei einem Übergebrauch tatsächlich
00:26:17: Speaker0: auch Kopfschmerzen auslösen.
00:26:20: Speaker0: Und das muss man beachten.
00:26:22: Speaker0: Also wenn ich an mehr als.
00:26:26: Speaker0: Sieben Tagen im Monat ein Tryptan nehmen muss, dann bin ich at risk.
00:26:31: Speaker0: Wenn ich an mehr als zwölf Tagen im Monat eine Akutmedikation wie jetzt Ibuprofen
00:26:39: Speaker0: nehmen muss bei Migräne, dann bin ich
00:26:41: Speaker0: auch im Risiko, ein Medikamentenübergebrauchskopfschmerz zu entwickeln.
00:26:45: Speaker0: Und das ist dann der Punkt, wo ich definitiv über eine Prophylaxe nachdenken
00:26:48: Speaker0: muss, um einfach die Zahl an Einnahmetagen zu reduzieren.
00:26:53: Speaker0: Und da sind tatsächlich auch diese Prophylaktika extrem hilfreich,
00:26:59: Speaker0: um Menschen, die in dieser Situation sind, auch rauszuholen.
00:27:03: Speaker0: Und das wäre wieder ein eigenes Thema, wo wir noch eine eigene Folge wieder machen könnten.
00:27:08: Speaker0: Wie behandle ich den Übergebrauchskopfschmerz?
00:27:11: Speaker0: Das ist aber wichtig zu wissen,
00:27:15: Speaker0: dass Medikamente tatsächlich auch Kopfschmerzen auslösen können.
00:27:21: Speaker1: Herr Dr. Leiter, jetzt haben wir auf jeden Fall in der medikamentösen Therapie
00:27:25: Speaker1: alles von akut bis die weitreichende Therapie besprochen.
00:27:34: Speaker1: Ich glaube, unsere Zuhörerinnen und Zuhörer können mit dem Wissen jetzt zumindest
00:27:39: Speaker1: schon mal in der Pharmaprüfung, kann ich sagen, drei Fragen beantworten.
00:27:43: Speaker1: Von 120 wohlgemerkt.
00:27:48: Speaker1: Herr Dr. Reiter, jetzt kommen wir mal zum Thema, das ich persönlich sehr, sehr spannend finde.
00:27:54: Speaker1: Ich finde das auch einen sehr guten Ansatz und wir machen so einen kleinen Drommelwirbel,
00:28:00: Speaker1: die multimodale Therapie.
00:28:03: Speaker1: Warum gefällt es mir so gut? Weil es interdisziplinär ist.
00:28:08: Speaker1: Jeder, der den Podcast hört von
00:28:10: Speaker1: uns, weiß, ich bin ein Riesenfan der interdisziplinären Zusammenarbeit.
00:28:17: Speaker1: Würde mich auch freuen, wenn das überall so funktionieren würde, wie es da funktioniert.
00:28:23: Speaker1: Und wir gehen mal kurz so ein bisschen in die Inhalte rein, was so eine multimodale
00:28:28: Speaker1: Therapie überhaupt ist.
00:28:30: Speaker1: Das ist eine psychologische Begleitung, Biofeedback, auch mit Entspannung,
00:28:35: Speaker1: Bewegung und Ausdauer, Ernährung und Coaching und soziale Beratung.
00:28:41: Speaker1: Wie sieht denn so ein typischer Therapieplan bei Ihnen aus, Herr Dr. Reiter?
00:28:47: Speaker0: Vielfältig. Ich hatte in der ersten Folge ja schon gesagt, dass ich nur ein
00:28:53: Speaker0: Bruchteil so guter Schmerztherapeut wäre, wenn ich es alleine machen müsste.
00:28:58: Speaker0: Und es ist ganz, ganz wichtig, Patienten grundsätzlich da abzuholen, wo sie stehen.
00:29:03: Speaker0: Was wir halt immer sehen, ist, dass letztlich aus den Schmerzen auch ein gewisses
00:29:11: Speaker0: Maß an Bewegungsangst resultiert,
00:29:14: Speaker0: auch ein gewisses Maß an Inaktivität und den daraus resultierenden Beeinträchtigungen,
00:29:21: Speaker0: sei es jetzt auch eine segmentale Instabilität im Rahmen der Muskulatur,
00:29:27: Speaker0: sei es Bewegungsangst oder Angst vor anderen Dingen.
00:29:32: Speaker0: Und da sehen Sie schon, wie vielfältig letztlich auch die Behandlung von einer
00:29:37: Speaker0: solch komplexen Erkrankung aufgebaut sein sollte.
00:29:42: Speaker0: Wir haben hier im Haus, ich würde es über den Daumen peilen,
00:29:47: Speaker0: 15 Physiotherapeuten bei uns in der Abteilung.
00:29:49: Speaker0: Wir haben ebenso viele Psychologen.
00:29:52: Speaker0: Wir haben das Glück, auf Stationen bei uns insgesamt drei Oberärzte und drei
00:30:00: Speaker0: bis vier Stationsärzte zu haben, die sich allesamt um den Patienten kümmern.
00:30:06: Speaker0: Und last but not least, und das ist ein ganz wesentlicher Punkt,
00:30:10: Speaker0: unsere Pflegekräfte, die allesamt eine Zusatzweiterbildung zur Pain Nurse absolviert
00:30:17: Speaker0: haben, also auch Schmerzexperten sind.
00:30:19: Speaker0: Und dieses Zusammenspiel soll einfach dazu führen, dass die Patienten aus den
00:30:27: Speaker0: alten Mustern ein Stück weit herausgeholt werden können und alternative Konzepte erfahren können.
00:30:32: Speaker0: Konkret beim Kopfschmerzpatienten ist es so, dass wir einen ganz großen Fokus
00:30:38: Speaker0: auf das Thema Entspannung legen müssen.
00:30:41: Speaker0: Entspannung ist etwas, was ich üben muss, was ich einarbeiten muss in den Alltag,
00:30:47: Speaker0: um eine effektive Wirksamkeit erzielen zu können.
00:30:51: Speaker0: Und das Schöne ist, es gibt eben diese Studien, die belegen können,
00:30:55: Speaker0: dass Entspannungsverfahren eine signifikante Schmerzreduktion auf Dauer machen.
00:31:01: Speaker0: Aber halt nicht jetzt gleich, sondern das muss ich erarbeiten und erlerne und regelmäßig anwenden.
00:31:09: Speaker0: Das Gleiche gilt natürlich auch für die Physiotherapie. Ich kann Ihnen gar nicht
00:31:13: Speaker0: so viel Physiotherapie verordnen, wie Sie bräuchten, um Ihren Körper wieder zu regenerieren.
00:31:21: Speaker0: In einer Akutsituation natürlich. Und bei der Migräne ist die Physiotherapie
00:31:25: Speaker0: so ein Stück weit ausgeklammert, weil wir da die Flurschäden behandeln.
00:31:31: Speaker0: Also wenn es halt einfach durch permanenten Kopfschmerz zu irgendwelchen Fehlhaltungen
00:31:35: Speaker0: kommt oder muskulären Verspannungen.
00:31:37: Speaker0: Aber das ändert jetzt nichts an der Ursache. Aber es ist trotzdem ein wesentlicher
00:31:41: Speaker0: Punkt, dort eben auch Konzepte zu erfahren, wie ich besser mit mir umgehen kann.
00:31:48: Speaker0: Und die psychologische Ebene ist auch eine ganz wichtige Ebene,
00:31:51: Speaker0: die man nicht vernachlässigen darf.
00:31:54: Speaker0: Man darf jetzt hier nicht erwarten, bei uns eine Psychotherapie zu bekommen.
00:31:58: Speaker0: Dafür ist der Aufenthalt zu kurz und die Ressourcen zu knapp.
00:32:01: Speaker0: Aber es geht darum zu erarbeiten, was macht denn der Schmerz mit mir?
00:32:04: Speaker0: Und was mache ich wegen der Schmerzen anders?
00:32:07: Speaker0: Vielleicht zu viel, vielleicht zu wenig, vielleicht auch Dinge anders,
00:32:13: Speaker0: die eher auch eine Belastung darstellen können.
00:32:16: Speaker0: Und das ist unser Ziel, mit dem Psychotherapeuten rauszuarbeiten und diese Themen
00:32:25: Speaker0: ein Stück weit anzugehen, vielleicht auch Empfehlungen zu geben,
00:32:28: Speaker0: wie kann es weitergehen.
00:32:30: Speaker0: Unsere Psychologen haben die Gebrauchsanweisung fürs Gehirn und deswegen ist
00:32:33: Speaker0: da auch der Link da zu Dingen wie Biofeedback.
00:32:37: Speaker0: Biofeedback ist ganz einfach gesagt eine Maßnahme, wie ich körperliche Prozesse
00:32:41: Speaker0: visuell darstellen kann und im Gegenzug dann lernen kann, diese Prozesse auch
00:32:46: Speaker0: selber durch bewusste Atmung oder auch Entspannungstechniken zu beeinflussen.
00:32:50: Speaker0: Meine Traumvorstellung ist immer noch, dass jeder ein Biofeedback-Gerät für
00:32:55: Speaker0: sich selber haben könnte.
00:32:57: Speaker0: Das ist aber leider im Moment technisch noch nicht möglich.
00:33:00: Speaker0: Und es gibt so Ansätze, das Ganze über Smartphones nutzen zu können mit Sensoren.
00:33:08: Speaker0: Da ist man noch am Arbeiten dran. Aber im Großen und Ganzen geht es auch darum,
00:33:13: Speaker0: wieder körpereigene Vorgänge bewusst zu machen und auch bewusst steuern zu können.
00:33:19: Speaker0: Wie sieht ein Therapietag aus?
00:33:21: Speaker0: In der Regel beginnen wir mit einem Frühprogramm. Das heißt,
00:33:26: Speaker0: wir wechseln uns ab zwischen 18 in den Morgen und aktiv in den Morgen.
00:33:31: Speaker0: Das ist ein Therapiepunkt, der von manchen Patienten eher gehasst wird,
00:33:34: Speaker0: weil man in der Früh schon bei uns ein bisschen in den Stress kommt zwischen
00:33:37: Speaker0: Frühstück und Therapiebeginn. Und dann haben wir ärztliche Visite,
00:33:41: Speaker0: dann führen wir Gespräche.
00:33:44: Speaker0: Es gibt die Einzeltherapien, es gibt Gruppentherapien, Gruppenentspannung,
00:33:49: Speaker0: Edukationen, wo wir Informationen geben über Schmerz, über die Therapien,
00:33:55: Speaker0: über Medikamente, weil tatsächlich Wissen es macht und für den Patienten meistens
00:34:03: Speaker0: das hinten runterfällt.
00:34:04: Speaker0: Wenn Sie beim Hausarzt ein Medikament bekommen, kriegen Sie einen rosa Zettel.
00:34:08: Speaker0: Und das war es. Und das soll kein Bashing sein, aber es fehlt einfach leider
00:34:14: Speaker0: die Zeit, in der Praxis wirklich zu erklären, was das ist.
00:34:19: Speaker0: Und da kommen auch die meisten Fragen von unseren Patienten an uns.
00:34:24: Speaker0: Dann geht es bei uns weiter mit der individuellen Physiotherapie, mit...
00:34:31: Speaker0: Kunsttherapie haben wir im Haus auch, die wir nutzen und ein großes Fitnessstudio
00:34:39: Speaker0: und Schwimmbad, das genutzt wird.
00:34:42: Speaker0: Also Therapie auf allen Ebenen. Multimodal heißt ja eben übersetzt auf viele
00:34:49: Speaker0: Arten und Weisen und genauso wie der Schmerz viele Einflussfaktoren und Ursachen hat auf biologischer,
00:34:57: Speaker0: psychologischer und sozialer Ebene,
00:34:59: Speaker0: genauso versuchen wir eben das abzufangen.
00:35:03: Speaker0: Die sozialmedizinische Beratung, das ist so eine Achillesferse bei uns,
00:35:09: Speaker0: weil wir haben natürlich als Krankenhaus einen Sozialdienst,
00:35:12: Speaker0: aber wir können so komplexe Beratungen gar nicht durchführen.
00:35:17: Speaker0: Und da verweisen wir auch immer gerne auf die Sozialverbände,
00:35:22: Speaker0: zum Beispiel den VdK, die da eine große Expertise haben und ihnen auch den Weg
00:35:29: Speaker0: durch den Paragrafen-Dschungel weisen können.
00:35:31: Speaker0: Generell gibt es Beratungsstellen, sei es die Caritas, sei es Pflegeberatungsstellen,
00:35:36: Speaker0: wobei unsere Patienten ja in der Regel allesamt noch so fit sind,
00:35:40: Speaker0: dass sie da letztlich mehr die organisatorische Unterstützung brauchen und nicht
00:35:47: Speaker0: so die körperliche Ebene.
00:35:49: Speaker0: Und das Ganze eben zusammengefasst ist dann der Weg zum Ziel.
00:35:57: Speaker0: Den muss der Patient am Ende des Tages auch für sich selber gehen.
00:36:03: Speaker0: Aber eben mit der entsprechenden Anleitung und auch mit den entsprechenden Hilfen.
00:36:09: Speaker0: Unsere Pflegekräfte arbeiten ganz viel zum Beispiel auch mit Aromatherapie,
00:36:14: Speaker0: mit Lichttherapie, mit transkutaner Nervenstimulation, TENS-Gerät, mit Entspannung.
00:36:21: Speaker0: Und auf ganz vielen Ebenen bekommen sie einfach Impuls und können es hier ausprobieren.
00:36:26: Speaker0: In der Sicherheit, dass jemand da ist, der ihnen hilft, wenn es nicht funktioniert
00:36:29: Speaker0: oder es nicht besser wird.
00:36:31: Speaker0: Und das macht einfach die Therapie aus.
00:36:35: Speaker0: Und Schmerztherapie ist aus unserer Sicht eine Reise, die wir hier zusammen
00:36:40: Speaker0: beginnen, die auch eine gewisse Zeit über spannen muss, um dann zum Erfolg zu führen.
00:36:46: Speaker0: Natürlich würden alle Patienten gerne ihre Schmerzen hier berücksichtigen lassen,
00:36:50: Speaker0: aber wenn das nicht funktioniert, kriegen sie auf jeden Fall die Hilfe,
00:36:55: Speaker0: wie es weitergehen kann und auch weiterführende Angebote genannt.
00:37:00: Speaker1: Ich glaube, das ist auch immer ein ganz wichtiger Punkt in dem Bereich,
00:37:05: Speaker1: dass man weiß, wie und was und dass jemand da ist, wenn es darauf ankommt,
00:37:12: Speaker1: wenn ich mit was nicht klarkomme, weil wie oft erleben wir es.
00:37:15: Speaker1: Und das erleben wir mittlerweile, glaube ich, auch schon an der Technik, wo wir Hilfe brauchen.
00:37:23: Speaker1: Das erleben wir in anderen Bereichen auch. Man kann einfach auch nicht alles
00:37:27: Speaker1: wissen und gerade ein Patient mit Schmerzen tut sich da vielleicht dann auch
00:37:31: Speaker1: nochmal ein bisschen schwerer als normalerweise, Finde ich sehr gut.
00:37:36: Speaker1: Ich kann Ihnen mal auf jeden Fall eins sagen, Herr Dr. Reiter.
00:37:40: Speaker1: Wir haben tatsächlich ja im Vorfeld stark recherchiert und Feedbacks bekommen.
00:37:46: Speaker1: Und Sie möchten gar nicht glauben, Ihr medizinischer Dienst,
00:37:50: Speaker1: den Sie richtig beschrieben haben, der zwar am Anschlag ist und auch nicht alles
00:37:56: Speaker1: machen kann, ist wirklich top bewertet.
00:38:00: Speaker1: Und da gab es auch einige Feedbacks, die haben den Patienten so weit gebracht
00:38:06: Speaker1: und wirklich unterstützt und gemacht.
00:38:10: Speaker1: So eine Hilfe haben sie wohl vorher noch nicht gehabt. Es ist wirklich auch
00:38:13: Speaker1: ganz schön zu hören, was da so im Hintergrund auch läuft.
00:38:17: Speaker1: Und ich habe auch schon mal Kontakt gehabt mit dem medizinischen Dienst,
00:38:21: Speaker1: der ist wirklich sehr, sehr toll hier im Haus, der ist aber auch,
00:38:25: Speaker1: glaube ich, in anderen Häusern wirklich sehr gut, die versuchen tatsächlich
00:38:29: Speaker1: auf menschliche Ebene alles zu machen.
00:38:32: Speaker1: Man muss ja immer überlegen, so wie es der Dr. Reiter auch gesagt hat, es gibt viele Sachen,
00:38:36: Speaker1: die einfach dann erledigt werden müssen und alle können nicht immer gleich erledigt
00:38:40: Speaker1: werden und das ist nur ein Mensch mit sehr, sehr viel Wissen,
00:38:43: Speaker1: aber der kann sich halt auch nicht um 1.000 Patienten kümmern oder um 300 Patienten
00:38:48: Speaker1: zeitgleich, das funktioniert halt einfach nicht.
00:38:52: Speaker1: Herr Dr. Reiter, welche Erfolge erleben Sie denn gerade, was die multimodale
00:38:59: Speaker1: Therapie angeht und auch auf langfristiger Sicht?
00:39:04: Speaker0: Der größte Erfolg für mich ist immer,
00:39:08: Speaker0: Und das ist jetzt schwer zu sagen.
00:39:14: Speaker0: Unser Ziel ist generell, dem Patienten ein Stück weit eine neue Herangehensweise
00:39:21: Speaker0: an seinen Schmerz zu zeigen und dadurch eine Schmerzlinderung zu erreichen.
00:39:25: Speaker0: Garantieren können wir es nicht. indirektes Maß für mich ist,
00:39:30: Speaker0: wie oft sehe ich einen Patienten wieder.
00:39:32: Speaker0: Und wir haben keine Ambulanz hier, das heißt, diese Weiterbetreuungsmöglichkeit schaltet bei uns aus.
00:39:41: Speaker0: Wenn ich von den Patienten nichts mehr höre, muss ich ein Stück weit davon ausgehen,
00:39:46: Speaker0: dass es jetzt soweit okay ist.
00:39:50: Speaker0: Wir bekommen oft die Rückmeldung, dass es deutlich besser geworden ist,
00:39:54: Speaker0: dass sich Symptome gelindert haben und dass eine neue Lebensqualität wieder da ist.
00:40:01: Speaker0: Worüber wir gar nicht gesprochen haben, war ja auch letztlich die Auswirkungen
00:40:05: Speaker0: von dem Schmerz auf das allgemeine Leben, also auf Schlafqualität,
00:40:09: Speaker0: auf Arbeitsfähigkeit, auf Lebensqualität zusammengenommen.
00:40:15: Speaker0: Und da erreichen wir schon deutliche, deutliche Erfolge für die meisten Patienten.
00:40:27: Speaker0: Und was ich als Ziel für mich definiert habe, ist, dass ich den Patienten zu
00:40:32: Speaker0: seinem eigenen Schmerzexperten ausbilden möchte.
00:40:35: Speaker0: Dass jeder für sich in der Lage ist, das zu tun, was ihm in der Situation hilft.
00:40:42: Speaker0: Dazu braucht es Komplizen.
00:40:44: Speaker0: Da zählt natürlich der Physiotherapeut mit rein, der Psychologe,
00:40:46: Speaker0: der Schmerztherapeut in der Niederlassung.
00:40:49: Speaker0: Aber am Ende des Tages oder am Ende der Behandlung hoffen wir halt auch,
00:40:55: Speaker0: dass der Patient deutlich besser zurechtkommt.
00:40:58: Speaker0: Die Schwierigkeit ist halt einfach, dass so eine chronische Schmerzerkrankung häufig entsteht.
00:41:05: Speaker0: Keine zu beseitigende Ursache hat, sodass ich quasi diesen heilenden,
00:41:12: Speaker0: kurativen Ansatz selten erreichen kann.
00:41:19: Speaker0: Aber die Qualität des Lebens und die Beschwerdelinderung ist für die meisten
00:41:27: Speaker0: Patienten einfach auch das große Ziel.
00:41:30: Speaker0: Und wenn jemand halt einfach einen deutlich reduzierten Schmerz und weniger
00:41:36: Speaker0: Arbeitsausfälle erreichen kann, dann ist da schon vieles erreicht.
00:41:42: Speaker0: In der Migräne konkret letztlich Reduktion der Anfälle, Linderung der Anfallsintensität
00:41:49: Speaker0: und das ist ein durchaus realistisches Ziel, was man erreichen kann.
00:41:54: Speaker0: Es sind wir da auch nicht die Einzigen, die das können. Es gibt viele andere
00:41:58: Speaker0: Zentren in Deutschland, die da auch mit Erfolg haben.
00:42:01: Speaker0: Und es muss nicht jeder Patient zu uns kommen.
00:42:05: Speaker0: Da gibt es konkrete Aufnahmekriterien, die wir im Rahmen der Erstvorstellung
00:42:10: Speaker0: halt auch prüfen müssen, um dann den Kassen gegenüber rechtfertigen zu können,
00:42:15: Speaker0: dass sie hier eine Behandlungsnotwendigkeit haben.
00:42:20: Speaker0: Es gibt aber wie gesagt in der Niederlassung auch viele Kollegen,
00:42:24: Speaker0: die sich dort gut drum kümmern können und das ist im Endeffekt auch das Wichtige,
00:42:29: Speaker0: das Netzwerk einfach zu pflegen und aufrechtzuerhalten und auch für Patienten
00:42:33: Speaker0: eine weitere Anbindung zu generieren.
00:42:36: Speaker0: Aber der größte Erfolg ist eigentlich, wenn ich Leute nicht mehr zu Gesicht kriege.
00:42:43: Speaker0: Kann natürlich auch bedeuten, dass es nicht funktioniert hat,
00:42:45: Speaker0: was wir getan haben oder dass wir daneben lagen, aber diese Rückmeldung,
00:42:50: Speaker0: die kriegen wir ja häufig auch über die Netzwerke und die Bewertungsportale.
00:42:55: Speaker0: Mich würde es mehr freuen, wenn sich die Leute dann wirklich auch an uns wenden
00:42:59: Speaker0: und uns sagen, was dann irgendwo mal nicht gepasst hat. Nobody's perfect.
00:43:04: Speaker0: Aber da sind wir auch über Feedback froh.
00:43:08: Speaker1: Herr Dr. Reiter, wir werden heute eine Sache ein bisschen anders machen bei
00:43:12: Speaker1: Ihnen. Wir werden nämlich jetzt schon unsere
00:43:16: Speaker1: Abschlussfrage, die eigentlich ganz am Ende kommt, reinwerfen,
00:43:19: Speaker1: obwohl wir noch ganz weit weg sind vom Abschluss, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer.
00:43:28: Speaker2: Zwischen Visite und Vision. Das Fachliche darf gehen, das Persönliche darf bleiben.
00:43:34: Speaker2: Was war Ihr schönster Moment im Klinik- oder Praxisalltag?
00:43:41: Speaker0: Oder gibt es viele? Das ist das Schöne an der Geschichte.
00:43:47: Speaker0: Dass ich mich jedes Mal freue, wenn ich sehe,
00:43:51: Speaker0: wie wir das Leben von Patienten positiv verändern konnten und eine letztlich
00:44:00: Speaker0: Wiederherstellung, so wie es sich der Patient wünscht, erreichen konnten.
00:44:04: Speaker0: Und kann das gar nicht auf einzelne Ereignisse runterbrechen,
00:44:13: Speaker0: weil wir glücklicherweise in der Situation sind, dass wir das häufig haben.
00:44:19: Speaker0: Wenn ich an eine junge Hebamme denke, die zu uns kam mit einer Erkrankung,
00:44:24: Speaker0: die sie komplett aus dem Berufsleben geschmissen hat und die wir nach eineinhalb
00:44:29: Speaker0: Jahren mit dieser Erkrankung wieder zurück in die Berufstätigkeit gebracht haben,
00:44:34: Speaker0: Dann ist das eine schöne Geschichte.
00:44:36: Speaker0: Eine Mit-70erin, die mir sagte,
00:44:40: Speaker0: dass sie aufgrund ihrer Beschwerden kein Tagebuch mehr schreiben konnte und
00:44:44: Speaker0: durch unsere Behandlung letztlich dahin wieder zurückgebracht werden konnte,
00:44:49: Speaker0: dass sie das tun konnte und die mir mit Tränen in den Augen gedankt hat,
00:44:55: Speaker0: ihr da die Lebensqualität wiederherzustellen.
00:44:58: Speaker0: Das sind nur Kleinigkeiten.
00:45:00: Speaker0: Ich habe gestern Besuch von einer Patientin gehabt, die wir auch wegen Migräne
00:45:05: Speaker0: behandelt haben und mit einem neuen Medikament.
00:45:07: Speaker0: Und die gesagt hat, meine Migräne ist kein Thema mehr. Die sind nahezu weg.
00:45:13: Speaker0: Das sind so Ereignisse, die mich einfach sehr, sehr froh machen.
00:45:18: Speaker0: Und wo ich jeden Tag aufs Neue motiviert bin, das besser zu machen.
00:45:22: Speaker0: Und dran zu bleiben und für die Patienten weiterhin da zu sein und zu arbeiten.
00:45:30: Speaker1: Das ist auf jeden Fall sehr schön. Herr Dr.
00:45:33: Speaker1: Reiter, wo leider, oder wo gut es ist, ist manchmal auch etwas kompliziertes.
00:45:39: Speaker1: Und dann kommen wir gleich mal zu unserem nächsten Part, die Versorgung.
00:45:45: Speaker1: Wo sehen Sie denn heute noch Versorgungslücken, zum Beispiel bei GKV-Versicherten?
00:45:53: Speaker0: Eigentlich nur in den Wartezeiten, weil wir in Deutschland zum Glück noch ein System haben,
00:45:59: Speaker0: wo ich tatsächlich auch sagen kann, alles, was wirksam ist und gebraucht wird,
00:46:06: Speaker0: zumindest in meinem Bereich, können wir zur Verfügung stellen.
00:46:11: Speaker0: Versorgungslücken haben wir letztlich,
00:46:13: Speaker0: wie gesagt, in der Anzahl der schmerztherapeutischen Einrichtungen.
00:46:19: Speaker0: Da haben wir im Moment tatsächlich das Problem, dass in der Klinikreform,
00:46:24: Speaker0: in den sogenannten Leistungsgruppen, das Thema Schmerzmedizin komplett hinten runtergefallen ist.
00:46:30: Speaker0: Und die Fachgesellschaften laufen schon seit diese Entwürfe bekannt wurden,
00:46:36: Speaker0: Sturm dagegen. Wir reden über 12 Millionen chronische Schmerzpatienten in Deutschland.
00:46:43: Speaker0: Und diese Zahl ist jetzt natürlich niedriger gefasst als die Zahl der Migräne-Patienten,
00:46:48: Speaker0: weil nur ein Drittel der Migräne-Patienten wirklich in den chronischen Schmerzbereich
00:46:53: Speaker0: reinfällt, per Definitionen.
00:46:56: Speaker0: Die fallen komplett hinten runter, weil es keine Leistungsgruppe Schmerzmedizin gibt.
00:47:03: Speaker0: Das ist absoluter Handlungsbedarf, weil der chronische Schmerzpatient auch in
00:47:11: Speaker0: vielen Akuthäusern hinten runterfällt.
00:47:14: Speaker0: Ich auch von Kollegen, ärztlichen Kollegen oft die Aussage höre,
00:47:18: Speaker0: mit Schmerz kenne ich mich nicht aus.
00:47:20: Speaker0: Da bin ich dann immer ganz frech und sage, ja gut, mit Atmung auch nicht,
00:47:28: Speaker0: weil du Chirurg bist oder mit der Fraktur auch nicht, weil du Internist bist.
00:47:35: Speaker0: Wir sind alles Ärzte und das ist ein Leitsymptom von vielen Erkrankungen.
00:47:41: Speaker0: Und dagegen laufe ich so ein bisschen Sturm und sage, ich darf natürlich sagen,
00:47:46: Speaker0: mit hochkronifiziertem Schmerz kenne ich mich nicht aus, kein Problem.
00:47:49: Speaker0: Aber das zu verallgemeinern ist ganz schlimm. Deswegen bilden wir auch aus hier
00:47:53: Speaker0: im Haus, sowohl auf ärztlicher als auch auf pflegerischer Seite.
00:47:57: Speaker0: Wir sind Lehrkrankenhaus der TU München, haben regelmäßig Studenten zu Gast.
00:48:01: Speaker0: Und ich bin auch auf der fachlichen Ebene und auch auf der ärztlichen Ebene
00:48:06: Speaker0: in der Weiterbildung weiterhin aktiv und versuche da einfach Verständnis und
00:48:12: Speaker0: aber auch nicht nur Verständnis, sondern auch Therapieoptionen.
00:48:18: Speaker0: Weiterzugeben und auch werde ich es nicht müde, die Trommel zu gründen und zu
00:48:23: Speaker0: sagen, hier, uns gibt es hier, wenn Sie Hilfe brauchen, wenden Sie sich an,
00:48:30: Speaker0: Die schmerzmedizinische, fachärztliche Versorgungsebene, sei es im niedergelassenen
00:48:36: Speaker0: Bereich, über die Fachgesellschaften, über die Arztsuche, kann man sich spezielle
00:48:41: Speaker0: Schmerztherapeuten suchen.
00:48:43: Speaker0: Uns finden Sie unter www.schmerzzentrum-am-see.de und dort finden Sie alle weiterführenden
00:48:53: Speaker0: Informationen, wie man zu uns kommt.
00:48:55: Speaker0: Und wer nicht fragt, dem kann nicht geholfen werden.
00:48:59: Speaker0: Und ja, Wadzeiten sind leider im System drin.
00:49:03: Speaker0: Die sind in Bayern noch relativ gut aufgestellt. Tatsächlich hat ein Kollege
00:49:09: Speaker0: aus der Fachgesellschaft auch mal eine Studie gemacht und untersucht,
00:49:12: Speaker0: wie lange braucht man zum nächsten Schmerztherapeuten.
00:49:15: Speaker0: Und das sind lange Zeiten und lange Strecken.
00:49:18: Speaker0: In Mecklenburg-Vorpommern wohl am längsten. Was mich erschüttert hat,
00:49:23: Speaker0: war, dass dicht gefolgt darauf Baden-Württemberg kam und dass das eben kein
00:49:27: Speaker0: Ost-West-Gefälle ist, sondern wirklich sehr, sehr individuell und unterschiedlich.
00:49:32: Speaker0: Genau. Also die Versorgungsqualität muss gestärkt werden. Das ist Aufgabe der Politik.
00:49:40: Speaker0: Und gleichzeitig müssen wir aber halt auch von Klinikseite dafür sorgen,
00:49:46: Speaker0: dass auch mehr Schmerztherapeuten ausgebildet werden und das weitertragen.
00:49:53: Speaker0: Und hier regional funktioniert es ganz gut, aber wenn man weiter die Fühler
00:50:00: Speaker0: ausstreckt, dann wird es manchmal schon recht düster.
00:50:05: Speaker1: Herr Dr. Reiter, wir hatten ja vorher kurz das Thema multimodale Therapie.
00:50:13: Speaker1: Kurz gesagt, wird von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen.
00:50:17: Speaker0: Ja. Gut. Wenn die Kriterien erfüllt sind, es muss auch nicht jeder multimodal behandelt werden.
00:50:23: Speaker0: Wir haben ab und zu schon das Problem, dass wir Patienten haben,
00:50:27: Speaker0: die eigentlichen Behandlungsbedarf haben, aber die Kriterien für die Aufnahme
00:50:30: Speaker0: nicht erfüllen. dann muss man dann schauen, wie man den Menschen entsprechend weiter versorgt.
00:50:38: Speaker0: Aber das gelingt auch meistens.
00:50:42: Speaker0: Das Thema Prophylaxe chronischer Schmerzen ist auch etwas Wichtiges.
00:50:47: Speaker0: Da habe ich am Dienstag eine Schmerzkonferenz zugehalten.
00:50:52: Speaker0: Also auch prophylaktisch tätig zu sein ist ein wichtiger Punkt.
00:50:56: Speaker0: Aber das würde jetzt auch irgendwo zu weit führen und den Rahmen sprengen.
00:51:01: Speaker0: Und multimodale Therapie braucht
00:51:03: Speaker0: auch nicht jeder Patient nach einer Operation, das ist auch ganz klar.
00:51:09: Speaker0: Aber wenn es das braucht, ist es verfügbar und wir sind nicht die einzige Klinik, die das anbietet.
00:51:20: Speaker1: Herr Dr. Reiter, jetzt haben wir ja hier beide einen wunderschönen Ausblick
00:51:25: Speaker1: in die Ferne und damit kommen wir auch da zu dem Punkt,
00:51:31: Speaker1: welche Entwicklungen sind aus Ihrer Sicht vielversprechend,
00:51:35: Speaker1: zum Beispiel Biomarker, die Altruhls.
00:51:42: Speaker0: Nachdem wir ja schon gesagt haben, dass Schmerz eine multifaktorielle Sache
00:51:46: Speaker0: ist, bin ich skeptisch, ob es jemals diesen Biomarker, diesen einen Biomarker geben wird.
00:51:56: Speaker0: Sicherlich kann man, was einzelne Erkrankungen angeht, dort noch weiter forschen.
00:52:02: Speaker0: Da ist prinzipiell auch die Forschung dran.
00:52:07: Speaker0: Denn Biomarker können aber tatsächlich auch sein, die Ableitung von Hirnströmen,
00:52:13: Speaker0: das weiß ich, dass der Professor Ploner von der TU in München da intensiv daran
00:52:18: Speaker0: arbeitet, um eben letztlich Veränderungen der Verarbeitung von Signalen im Gehirn nachzugehen,
00:52:23: Speaker0: um daraus dann auch irgendwo Schmerzen sichtbar machen zu können.
00:52:29: Speaker0: Aber das ist im Moment auch noch so eine Sache, wenn ich Hirnströme ableite,
00:52:34: Speaker0: dann ist es so, wie wenn ich versuche, die Weltkugel über ein Fernrohr zu beschreiben.
00:52:41: Speaker0: Da sehe ich nur einzelne Aspekte. Aber mit KI und so weiter sind da durchaus
00:52:47: Speaker0: Optionen da, einfach auch diese großen Datenmengen zu verarbeiten.
00:52:51: Speaker0: Und da gehen wir in eine ganz, ganz spannende Zeit rein.
00:52:54: Speaker0: KI und Webapplikationen sind ein sehr, sehr interessantes Thema,
00:53:02: Speaker0: zum einen in der Diagnostik, weil es einfach eine vielfältigere Abfrage ermöglicht
00:53:10: Speaker0: von einzelnen Symptomen und Integration eben von scheinbar unübersichtlichen
00:53:15: Speaker0: Dingen in ein Gesamtmodell.
00:53:18: Speaker0: Gleichzeitig bin ich aber auch jemand, der gerne ins Tun kommt und da eben die
00:53:23: Speaker0: Selbstwirksamkeit von Patienten fördern möchte.
00:53:26: Speaker0: Und da ist die Verfügbarkeit von solchen Apps einfach auch extrem hilfreich.
00:53:30: Speaker0: Gerade bei den Kopfschmerzen, ich habe es im ersten Teil schon angesprochen,
00:53:34: Speaker0: die Kopfschmerz-App der Schmerzklinik Kiel ist für mich sehr,
00:53:38: Speaker0: sehr hilfreich, weil dort eben auch zum Beispiel Entspannungsübungen drin sind,
00:53:43: Speaker0: weil dort ein Kopfschmerztagebuch integriert ist, Was mir die Möglichkeit auch gibt,
00:53:48: Speaker0: Tryptanschwellen zu berechnen, ab welchem Zeitpunkt sollte ich ein Medikament
00:53:51: Speaker0: nehmen? Die Frage, die viele nicht beantworten können.
00:53:54: Speaker0: Das ist eine großartige Unterstützung und ich hoffe immer noch aufs Taschen-Bio-Feedback,
00:54:00: Speaker0: was man einfach dann auch nutzen kann, um selbstwirksam tätig zu sein und gleichzeitig
00:54:08: Speaker0: auch eine Rückmeldung vom Körper zu bekommen, mache ich es eigentlich auch richtig.
00:54:12: Speaker0: Also das ist so der Ausblick.
00:54:15: Speaker0: Therapeutisch denke ich aber, dass wir den Faktor Mensch nicht vergessen dürfen
00:54:21: Speaker0: und die Menschlichkeit in der Medizin trotz aller technischer Unterstützung
00:54:25: Speaker0: nach wie vor auch etwas sein wird,
00:54:27: Speaker0: weshalb ich auch keine Angst vor Digitalisierung habe,
00:54:30: Speaker0: weil am Ende des Tages sind wir, was die Menschlichkeit angeht.
00:54:39: Speaker0: Sage ich jetzt der Technik überlegen. Es gibt Arbeiten, die das Gegenteil behaupten.
00:54:45: Speaker0: Also eine schöne Arbeit aus dem Journal of the American Medical Association
00:54:49: Speaker0: im JAMA 2023 hat gezeigt,
00:54:55: Speaker0: dass die fachliche Beantwortung von medizinischen Fragen durch ChatGPT deutlich
00:55:01: Speaker0: besser ist, als die durch einen Experten oder deutlich besser sein kann.
00:55:09: Speaker0: Oder bewertet wurde im umfassenden Bereich.
00:55:15: Speaker0: Gleichzeitig aber auch die Empathie durch ChatGPT nicht unbedingt schlechter sein muss.
00:55:20: Speaker0: Also in dieser Arbeit wurde gezeigt, dass ChatGPT tatsächlich auch empathischere
00:55:24: Speaker0: Antworten formulieren kann.
00:55:26: Speaker0: Ich halte persönlich den Faktor Mensch immer noch für wichtig und das Vertrauensverhältnis
00:55:33: Speaker0: und das wird weiterhin auch aus meiner Sicht unsere Stärke sein,
00:55:40: Speaker0: weshalb ich da gerne weiter die Technik nutzen möchte,
00:55:46: Speaker0: aber die Menschlichkeit immer noch für mich im Vordergrund steht und eben auf
00:55:52: Speaker0: Augenhöhe bleibt und nicht auf Monitorhöhe.
00:55:56: Speaker1: Das sehe ich ganz genauso wie Sie mit dem Ansatz gut.
00:56:04: Speaker1: Herr Röpterleiter, zum Abschluss, was würden Sie Betroffenen raten,
00:56:12: Speaker1: die seit Jahren keine Hilfe finden?
00:56:13: Speaker0: Und weitersuchen, nicht aufgeben und die Möglichkeiten einfach heutzutage nutzen.
00:56:23: Speaker0: Es gibt Selbsthilfegruppen, die ich für extrem wichtig halte und wir arbeiten
00:56:30: Speaker0: zum Beispiel mit der Migräneliga auch intensiv zusammen, mit der Clusterkopfschmerzgesellschaft,
00:56:36: Speaker0: mit der Schmerzgesellschaft der CRPS-Selbsthilfegruppe.
00:56:41: Speaker0: Und das sind viele, viele ganz unterschiedliche Erkrankungen,
00:56:44: Speaker0: die da zusammenkommen und die einem da helfen können.
00:56:50: Speaker0: Also und am Ende des Tages eben die Hilfe zur Selbsthilfe.
00:56:54: Speaker0: Was uns die Pandemie gelehrt hat, ist es, und das wussten wir vorher schon,
00:56:59: Speaker0: aber da ist es noch mal deutlicher geworden, wenn ich mich abhängig mache von
00:57:02: Speaker0: externen Einrichtungen.
00:57:05: Speaker0: Kann es Situationen geben, in denen ich verloren bin oder verloren scheine.
00:57:10: Speaker0: Und deswegen ist es so extrem wichtig wieder, und da komme ich auch wieder auf
00:57:14: Speaker0: das Bild zurück, der Kapitän auf meinem eigenen Schiff zu werden.
00:57:18: Speaker0: Natürlich kann der Kapitän ohne Mannschaft nicht und es gibt Situationen,
00:57:22: Speaker0: da brauche ich einen Lotsen, aber selber das Steuer in die Hand nehmen und die
00:57:28: Speaker0: Eigenverantwortung übernehmen.
00:57:30: Speaker0: Ich weiß, dass es in unserem System oft auch frustrierend sein kann,
00:57:34: Speaker0: Dass man oft scheitert, dass man gegen geschlossene Türen rennt,
00:57:38: Speaker0: dass man schlimme Situationen erlebt, wo einem eine Fachperson sagt,
00:57:41: Speaker0: jetzt haben sie sich mal nicht so, ist ja nicht so schlimm.
00:57:46: Speaker0: Oder auch gesagt wird, ja da ist nichts, also sie können nichts haben.
00:57:51: Speaker0: Das sind Aussagen, die ich sehr, sehr oft höre, aber am Ende des Tages ist es
00:57:57: Speaker0: einfach so, es ist Teamsport,
00:58:00: Speaker0: wir brauchen die Interdisziplinarität und ich arbeite wahnsinnig gerne mit Neurologen
00:58:07: Speaker0: zusammen, mit Orthopäden zusammen, mit Allgemeinmedizinern,
00:58:11: Speaker0: mit unseren Co-Therapeuten aus der Pflege, mit den Psychologen.
00:58:15: Speaker0: Da hat jeder das Recht auf die Meinung und nur so können wir ein komplexes Bild
00:58:23: Speaker0: des Patienten erstellen und dann vielleicht da auch den Fuß in die Tür bekommen,
00:58:28: Speaker0: um jemandem nachhaltig auch weiterhelfen zu können.
00:58:32: Speaker0: Aber am Ende des Tages umsetzen darf und muss es der Patient und deswegen ist
00:58:38: Speaker0: die Selbstwirksamkeit so eine ganz, ganz wichtige Sache.
00:58:44: Speaker0: Das ist einfach auch noch etwas, wo wir sagen müssen, das hat dann auch einen
00:58:50: Speaker0: prophylaktischen Charakter, eben zu verhindern, dass es noch schlimmer wird.
00:58:55: Speaker0: Und das würde ich mir eben wünschen, auch von der Politik,
00:59:00: Speaker0: auch von der Kostenträgerseite her, dass eben die Prophylaxe und die Unterstützung
00:59:05: Speaker0: bei einer Prophylaxe mehr in den Vordergrund kommt,
00:59:10: Speaker0: um damit halt auch Kostenexplosionen verhindern zu können.
00:59:15: Speaker0: Wir sind an einem Kipppunkt, es ist nicht alles bezahlbar, was der Markt hergibt.
00:59:20: Speaker0: Und deswegen sollten wir uns wirklich auch darauf fokussieren,
00:59:25: Speaker0: auch überschüßende Kosten zu vermeiden.
00:59:28: Speaker0: Und da ist meine Hoffnung, dass sich da noch was tun wird.
00:59:33: Speaker0: Ich habe keine Angst davor, arbeitslos zu werden.
00:59:39: Speaker0: Ich bin auch so drauf, dass ich sage, ich scheue keine Konkurrenz und es ist
00:59:47: Speaker0: genug Schmerz für alle da, Ja,
00:59:50: Speaker0: weil sich viele ja auch immer denken, ja, gibt es denn nicht Konkurrenzverhältnisse
00:59:54: Speaker0: zwischen den einzelnen Behandlern?
00:59:58: Speaker0: Eigentlich nicht, weil jeder von uns doch auch irgendwie anders tickt und da
01:00:02: Speaker0: eben auch wichtig ist, dass wir gemeinsam für unsere Patienten arbeiten.
01:00:06: Speaker0: Und ich weiß auch, dass ich sicherlich nicht der Richtige für jeden bin,
01:00:12: Speaker0: aber jeder Topf findet seinen Deckel.
01:00:16: Speaker0: Und so ist es auch in der Therapie und auch in der Behandlung von schwierigen
01:00:20: Speaker0: Krankheitsbildern, dass man da gemeinsam dann einen Schritt weiterkommt auf dem Weg.
01:00:28: Speaker1: Definitiv. So, Herr Dr. Reiter, jetzt haben wir ja heute schon mal sehr,
01:00:35: Speaker1: sehr viele Dinge gelernt und mitgenommen.
01:00:40: Speaker1: Die eine Sache habe ich ja vorher schon mal verraten, der Patient steuert selbst das Schiff.
01:00:48: Speaker1: Wir beide fahren jetzt das Schiff in den Hafen rein.
01:00:52: Speaker1: Herr Dr. Reiter, ich bedanke mich recht herzlich für dieses wirklich tolle,
01:01:00: Speaker1: aufklärende, offene und vor allem auch klare Gespräch, dass,
01:01:08: Speaker1: glaube ich, da draußen ganz, ganz vielen Patientinnen und Patienten hilft,
01:01:12: Speaker1: auch ganz vielen Betroffenen hilft, um Migräne anders zu verstehen,
01:01:19: Speaker1: anders damit umzugehen, für die Patienten mit Sicherheit einige Wege dabei sind,
01:01:25: Speaker1: wo sie sagen, ah, da muss ich jetzt andocken.
01:01:29: Speaker1: Sie hatten ja vorher schon Ihre Webseite gesagt wir haben Sie in den Show Notes drin Herr Dr.
01:01:36: Speaker1: Reiter, vielen Dank, dass Sie sich heute Zeit genommen haben für dieses lange
01:01:42: Speaker1: und ausführliche Gespräch für Ihre Expertise und vor allem für Ihren sehr,
01:01:50: Speaker1: sehr persönlichen Einblick in das ganze Thema
01:01:55: Speaker1: und ich wünsche Ihnen jetzt noch einen schönen Nachmittag und eine gute Heimfahrt
01:02:00: Speaker1: dann und ja, ich würde mich freuen, wenn wir uns dann bald wiedersehen zu einer neuen Folge.
01:02:05: Speaker0: Sehr, sehr gerne. Es ist mir wirklich auch ein Anliegen,
01:02:09: Speaker0: die Kunde eben über die Schmerzmedizin auch weiterzutragen, dass es uns gibt und ich freue mich,
01:02:17: Speaker0: wenn ich zur Aufklärung beitragen konnte und auch ein bisschen Mehrwert bieten konnte.
01:02:25: Speaker1: Vielen Dank.
01:02:27: Speaker0: Sehr gerne.
01:02:33: Speaker2: Das war Zwischen Visite und Vision. Medizin im Gespräch.
01:02:39: Speaker2: Wenn dir diese Folge gefallen hat, freuen wir uns, wenn du unseren Podcast abonnierst,
01:02:44: Speaker2: weiterempfiehlst und natürlich wieder reinhörst.
01:02:48: Speaker2: Hier sprechen wir mit Menschen, die Medizin leben. über Herausforderungen,
01:02:52: Speaker2: Chancen und das, was wirklich zählt.
01:02:55: Speaker2: Vertrauen, Wissen und der Blick nach vorn.
01:02:59: Speaker2: Du findest uns auf allen gängigen Podcast-Plattformen sowie auf Instagram unter
01:03:05: Speaker2: wo wir dir spannende Einblicke und Updates zu den kommenden Folgen bieten.
01:03:13: Speaker2: Noch näher dran bist du über unseren WhatsApp-Kanal Oder du schreibst uns einfach
01:03:18: Speaker2: direkt an kontakt.zwischenvisiteundvision.com mit deinen Fragen,
01:03:24: Speaker2: Themenwünschen oder Anregungen.
01:03:27: Speaker2: Bleib gesund, neugierig und offen für neue Perspektiven.
01:03:32: Speaker2: Dein Podcast-Team zwischen Visite und Vision Medizin.
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